So viel getan und dann……

Wir alle kennen das in unterschiedlichen Abstufungen. Ich war gestern eingeladen zu einem Geburtstagsfest – einem sehr schönen Fest. Auch einige Familienmitglieder waren da und so ergab es sich, dass wir auch ein paar Worte über unser letztes Familientreffen gewechselt haben. Nun ist da eben eine sehr umtriebige Frau, die immer gestresst ist, weil sie viel arbeitet und organisiert und das dann auch gerne erzählt. Und im Gespräch hatte ich den Eindruck, dass da etwas Verletztes mitschwang, als sie sagte, dass sie ja eigentlich das Treffen hätte organisieren wollen, dass aber dann ein anderer Ort gewählt wurde.

Meine Familie – ich kenne das Muster. Eigentlich, denke ich, hat sie doch ohnehin ständig Stress und viel Arbeit, sie könnte froh sein, dass da nicht noch zusätzlich was kam. Und mir wird sofort klar, dass sie das tatsächlich nicht kann. Es ist ihr Weg sich Anerkennung und Wertschätzung zu holen. Das berührt mich dann irgendwie.

Vermutlich gehen wir alle mal über unsere Grenzen, in der Hoffnung auf Dankbarkeit. Wir wollen geliebt werden, wir wollen Anerkennung, Lob und Wertschätzung. Oft scheint ein simples Kompliment nicht ausreichend zu sein. Manche Menschen opfern sich dafür wirklich selbst.

Und wenn jemand eine Aufgabe ablehnt, weil es zu viel wird, dann sagt man ja auch ganz selten „Schade, dass Du das nicht machst, aber toll, wie Du Deine Grenzen achtest“. Wir sind es nicht gewohnt, Anerkennung in dieser Form zu zeigen. Manchmal denken wir nur „das würde ich auch gerne können“.

Gleichzeitig kennen wir alle das Gefühl, wenn jemand sagt „ich habe soviel gemacht – nur für Dich“ – meistens denken wir, dass wir das so nicht gewollt hätten. Wir sollen dankbar sein für Opfer, die jemand ungefragt für uns gebracht hat. Das macht oft wütend, denn es war übergiffig.

Wenn Frauen manchmal, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Mann erfolgreich im Job steht, in ein tiefes Loch fallen, dann kommt oft „ich habe mein Leben geopfert…“. Eigentlich hat das aber niemand verlangt – Kinder sind nicht glücklich mit dem Gedanken, dass Mama sich aufgeopfert hat und keinen Sinn mehr im Leben sieht, wenn sie selbständig und erwachsen werden. Männer wollten dieses Opfer auch nicht, denn es ist ja die Frau, die sie lieben (oder zumindest geliebt haben). Die ganze Familie ist in der Schuld für ein Opfer, das sie nicht wollte und die Familie kann diese Schuld nicht ausgleichen.

Frauen stecken oft noch in diesem alten Muster fest. Frauen tun für die Familie alles – ob sie das will oder nicht. Sie haben nicht gelernt, für sich selbst gut zu sorgen, die eigenen Grenzen zu respektieren, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu erfüllen und Mann und Kinder erinnern meistens nicht daran.

Und so lande ich wieder einmal bei der Selbstliebe, beim Selbstwert, bei der Selbstachtung – wie viel Wertschätzung haben wir für uns selbst? Wer ist der wichtigste Mensch in unserem Leben? Sind wir gut genug, wenn wir gut für uns sorgen?

Und natürlich gibt es auch aufopfernde Männer – in mir wurden diese Gedanken jetzt eben durch eine Frau angestoßen, aber ich habe erst vor kurzem einem Mann gesagt, dass er der wichtigste Mensch in seinem Leben sei und dass ohne ihn ein seinem Leben nichts geht…. Ja, auch Männer muss man manchmal daran erinnern – sie haben ihr eigenes „Ich-muss-für-die-Familie-sorgen“-Muster, das nicht selten in einen Burnout führt.

 

5 Kommentare

  1. Ich habe einer Kollegin letzte Woche geschrieben, dass ich „Karmapunkte“ liegen gelassen habe, weil ich einem Zuarbeiter, der mich am Sonntag am Mobiltelefon angerufen hatte, nicht gleich am Sonntag zurückgerufen habe.
    Ihre Reaktion: Du hast viele Karmapunkte erworben, weil du auf dich geachtet hast!

    Ja, diese Sichtweise werde ich künftig mehr verinnerlichen.

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